Fachinformationen LRS

 

Nach dem 'Internationalen Klassifikationsschema für psychische Störungen' ICD-10 gehört die LRS zu den umschriebenen Entwicklungsstörungen, das heißt, dass diese Kinder trotz ausreichenden Unterrichts und normaler kognitiver Fähigkeiten keine Lese- und/oder Rechtschreibfähigkeit erreichen.

Für die Diagnose nach ICD-10 muss die Lese/Rechtschreibleistung des Kindes unter dem Niveau liegen, das aufgrund des Alters (Altersdiskrepanzkriterium), der allgemeinen Intelligenz (IQ-Diskrepanzkriterium) und der Beschulung zu erwarten ist. Ausschlusskriterien sind ein offenkundig unangemessener Unterricht, Defizite im Sehen oder Hören oder das Vorliegen neurologischer, psychiatrischer oder anderer Erkrankungen, die Rechtschreibschwierigkeiten verursachen können.

Je nach Untersuchungsmethodik und diagnostischen Kriterien liegt die Häufigkeit der Lese/Rechtschreibschwäche zwischen 3 bis 20 %, wobei der internationale Vergleich der Studien eine Häufigkeit zwischen 4 bis 5 % nahe legt. Die Symptomatik der LRS zeigt sich in den ersten Schuljahren und zeichnet sich durch eine hohe Entwicklungsstabilität aus. So zeigen Längsschnittstudien, dass eine LRS bis in das Erwachsenenalter weiter besteht. Viele Antworten zu häufig gestellten Fragen zum Thema LRS lassen sich auch in der FAQ LRS (Frequently Asked Questions) nachlesen.

 

Symptome der Lesestörung sind:

  • Auslassen, Ersetzen, Verdrehen oder Hinzufügen von Worten oder Wortteilen
  • Verlangsamte Lesegeschwindigkeit
  • Startschwierigkeiten beim Vorlesen, langes Zögern oder Verlieren der Zeile im Text, stockendes Lesen von Wort zu Wort, aber auch von Buchstabe zu Buchstabe; ungenaues, nicht sinnhaftes Betonen beim Lesen
  • Vertauschen von Wörtern im Satz oder von Buchstaben in den Wörtern
  • Eine Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben, aus Gelesenem Schlüsse zu ziehen oder Zusammenhänge zu sehen

 

Symptome der Rechtschreibstörung sind:

  • Verdrehung von Buchstaben im Wort (Reversionen wie b/d, p/q, u/n)
  • Umstellungen von Buchstaben im Wort (Reihenfolgefehler wie die/dei)
  •  Auslassungen von Buchstaben (ach anstelle auch)
  • Einfügen falscher Buchstaben (Artzt anstatt Arzt)
  • Dehnungsfehler (Zan anstatt Zahn)
  • Fehler in der Groß- und Kleinschreibung (Regelfehler wie schönheit anstatt Schönheit)
  • Verwechselung von d/t, g/k, v/f (Wahrnehmungsfehler)
  • Fehleränderung (ein Wort wird immer wieder unterschiedlich fehlerhaft und zwischendurch auch richtig geschrieben; Fehlerinkonstanz)

Wird bei einem Schüler oder einer Schülerin eine Lese/Rechtschreibschwäche vermutet, können die Problembereiche anhand des Kurztests zur Lese/Rechtschreibschwäche näher eingrenzt werden.

Diese Lese- und Rechtschreibfehler sind nicht nur typisch für Kinder mit einer Lese/Rechtschreibschwäche. Alle Kinder, die das Lesen und Schreiben erlernen, machen anfänglich die gleichen Fehler in verschieden starkem Ausmaß. Bei den meisten Kindern nehmen die Probleme jedoch sehr rasch ab und verschwinden schließlich weitgehend. Kinder mit LRS machen die Fehler wesentlich häufiger und die Probleme bleiben über lange Zeit stabil. Auffällig ist die enorme Unbeständigkeit der Fehler: es scheint kaum möglich, stabile Fehlerprofile zu ermitteln, noch scheint es eine bestimmte Systematik der Fehler zu geben. Ein und dasselbe Wort wird immer wieder unterschiedlich falsch geschrieben.

Für die Diagnose einer LRS als Teilleistungsstörung nach dem ICD-10 sind mindestens drei Bereiche zu klären:

  1. Lesen und Schreiben:
    Durch standardisierte Tests wird festgestellt, ob die Leistungen im Lesen und Schreiben unterdurchschnittlich sind.
  2. Begabung:
    Durch einen standardisierten Intelligenztest wird festgestellt, ob die Begabung im Normbereich liegt. Diese muss erheblich von den Leistungen im Lesen und Schreiben abweichen.
  3. Ausschluss sonstiger Ursachen:
    Andere Ursachen, welche die unterdurchschnittlichen Leistungen im Lesen und Schreiben alternativ erklären können, werden ausgeschlossen. Dazu zählen Seh- und Hörprobleme, schwere psychische oder neurologische Störungen oder ein unzureichender Unterricht.

Zusätzlich ist es sinnvoll, standardisierte Tests durchzuführen, die wichtige Faktoren für die Schriftsprache erfassen. Dazu zählen Tests zum Gedächtnis, zur Aufmerksamkeit und zum Lern- und Arbeitsverhalten.

Im Hinblick auf die Ursachen stellt die LRS eine komplexe Störung dar, deren Ursachen bis heute nicht abschließend aufgeklärt sind. Im Vordergrund der Forschung stehen derzeit neben der Erkenntnis der genetischen Disposition neurobiologische Faktoren wie die visuelle, akustische und sprachliche Informationsverarbeitung, insbesondere die phonologische Bewusstheit. Dabei gelten die psychische Gesundheit des Kindes, familiäre Förderungen, Hausaufgabenübungen und die Güte des Unterrichts nicht als Ursache der LRS, beeinflussen jedoch deren Ausmaß.

In der Förderung hat sich eine Unterteilung der Fehler in die folgenden Fehlerarten als hilfreich erwiesen:

  • Phonemfehler als Verstöße gegen die lautgetreue Schreibung (Verstöße gegen die Buchstaben-Laut-Zuordnungsregeln, Probleme bei der Wortdurchgliederung: Auslassungen, Verdrehungen, Hinzufügungen).
  • Regelfehler als Verstöße gegen die regelhaften Abweichungen von der lautgetreuen Schreibung (Ableitungsfehler, Groß-/Kleinschreibungsfehler).
  • Speicherfehler oder Merkfehler als Verstöße gegen die regelhaften Abweichungen.

Auch die Förderung der Lesestrategie spielt in der Therapie eine zentrale Rolle: Bei vielen Kindern mit einer LRS ist die basale Lesefähigkeit noch nicht gegeben. Spezifische Förderinhalte beziehen sich hier auf die Lesegeschwindigkeit, die Lesegenauigkeit oder das Sinnverständnis. In der Praxis hat sich bewährt, über die Schwächen hinaus auch auf den Stärken der Schüler/innen aufzubauen, ressourcenorientiert zu arbeiten und so das Selbstbewusstsein und die Arbeitsmotivation zu stärken. Auch zusätzliche Problembereiche - vor allem Konzentration, Gedächtnis und das Lern- und Arbeitsverhalten - sind zentrale Bestandteile der Förderung im KinderBildungsZentrum kibiz.